Immer wieder gingen mir Gedanken und Fragen zu dem Thema durch den Kopf:

Wie händel ich die Situation, wenn Freunde von mir gecoacht werden wollen? Kann ich das oder nicht? Kann ich dafür Geld nehmen oder nicht?

Gerade in den letzten Wochen habe ich mich viel mit diesem Thema auseinandergesetzt. Zum einen aufgrund eines Coachings, zu dem eine Kollegin angereist ist, und zum anderen aufgrund eines Online Coachings mit einer Freundin, die ich seit rund 30 Jahren kenne.

Wie händel ich die Situation, wenn Freunde von mir gecoacht werden wollen?

Als erstes stellt sich die Frage: Willst du den Austausch mit mir als Freundin oder als Coach? Meist stößt diese Frage auf Unverständnis, aber für mich ist sie enorm wichtig. Als Freunde gehen wir in einem Gespräch in den Austausch, reden miteinander, hören uns gegenseitig zu, geben uns gegenseitig Ratschläge, schimpfen auch mal solidarisch auf denjenigen der gerade Schuld an allem ist und reden einfach drauf los. Als Coach übe ich meinen Beruf aus. Ich bin dabei nur für mein Gegenüber da. Ich bin da, damit der Coachee seine Lösung findet. Das setzt voraus, dass der Coachee nicht nur einfach über etwas reden will sondern auch wirklich etwas verändern will. Ich höre zu. Ich gebe Impulse. Ich frage nach. Ich begleite den Prozess.

Kann ich das oder nicht?

Als systemischer Coach gehe ich mit der Haltung des Nicht-Wissens in ein Coaching. Ich weiss nicht, wie die Gedanken im Kopf meines Gegenübers aussehen. Ich weiß nicht, was er meint, wenn er z.B. von einem „Traumurlaub“ spricht! Ich habe direkt ein Bild vor Augen, wenn der Begriff „Traumurlaub“ fällt. Aber das ist mein Bild im Kopf, nicht das des Coachees. Also hinterfrage ich im Coaching viele Dinge. Und mache damit auch dem Coachee Dinge bewußt. Genau das ist das Ziel von Coaching: Dinge bewußt machen, andere Perspektiven aufzeigen, neue Möglichkeiten greifbar machen. Und wie ist das jetzt, wenn eine Freundin vor mir sitzt, die ich seit 30 Jahren kenne und wo ich z.B. weiß, was ihr Lieblingsreiseziel ist? Frage ich dann nicht mehr nach, nehme ich Dinge zu schnell als gegeben hin? Oder schaffe ich es auch in diesem Kontext, die Haltung des Nicht-Wissens zu wahren? Kann ein Freund oder eine Freundin genauso von dem Coaching profitieren wie jemand, den ich nicht vorher kenne? Die Antwort ist: JA! Er kann! Und JA! Ich kann es auch!

Damit stellt sich die nächste Frage: Kann ich dafür Geld nehmen oder nicht?

Mein erster Impuls war stets: Ich kann doch kein Geld von Freunden nehmen. Ich freue mich doch, wenn ich ihnen helfen kann. Und ich bin auch immer davon ausgegangen, dass die Freunde und Kollegen, die bei mir Unterstützung gesucht haben, dass genau so sehen. Ich durfte aber feststellen, dass dem nicht so ist. So wie es für mich selbstverständlich war, kein Geld nehmen zu wollen/dürfen/können, war es für mein Gegenüber genauso selbstverständlich, dass Coaching von mir nicht „einfach so“ zu erhalten. Das hat mir aufgezeigt, dass das Problem in meinem Kopf liegt und ich das Thema für mich klären muss. Den entscheidenden Durchbruch hat für mich der Austausch mit meiner langjährigen Freundin nach dem Coaching gebracht. Sie hatte vor dem Coaching ja auch die Frage im Kopf, wie wird das wohl sein, von mir gecoacht zu werden? Funktioniert das überhaupt? Und sie hat mir zurückgemeldet: Ja, das hat super funktioniert. Dass sie mich zwar als vertraut wahrgenommen hat aber die ganze Zeit als professionelle Begleitung. Dass sie viel Wertvolles aus unserem Coaching – und gerade aus der Begleitung durch mich – mitnehmen konnte.

Heute Morgen unter der Dusche war es dann soweit: Die vielen Gedanken, die ich mir zu diesem Thema gemacht habe, der Austausch, den ich zu diesem Thema hatte, das Coaching, das ich im Rahmen meiner Fortbildung zu diesem Thema machen durfte, alle diese Gedanken fanden heute Morgen wie einzelne Puzzelteile zu einem großen Ganzen zusammen. Und ich wusste plötzlich nicht nur im Kopf die Antwort, sondern spürte sie auch:

Ja, auch – oder gerade – unter Freunden darf ich meinen Wert und darf ich mich und meine Arbeit wert-schätzen.

Ja, ich kann auch Geld dafür nehmen!

Und ich freue mich darüber, endlich Klarheit gefunden zu haben!

Und ich freue mich darauf, gerade die Menschen, die mir am Herzen liegen, auch im Coaching zu begleiten!

Es tut gut, seinen eigenen Standpunkt zu hinterfragen, neu zu finden und zu spüren! Und es ist eine große Freude und Wertschätzung, auch Freunde im Coaching begleiten zu dürfen!

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