Als meine beste Freundin mit 41 Jahren gestorben ist, war meine erste Reaktion: „DU hast mir versprochen, dass wir zusammen nach Helgoland gefahren! DU hast dich nicht an dein Versprechen gehalten!“ Ich war wütend! Ich war so wütend! Wir hatten in unseren Zwanzigern diese Fahrt mal machen wollen. Aber als wir am Anleger standen, war es meiner Freundin zu stürmisch und wir beschlossen: Das holen wir ein anderes Mal nach! Und daran musste ich als erstes denken, als ich vom Tod meiner Freundin erfuhr.

Das Gefühl der Wut hatte sich vor mein Gefühl der Trauer geschoben. Ich konnte mit der Trauer in dem Moment nicht umgehen. Konnte es nicht aushalten, dass meine beste Freundin nicht mehr da ist. Dass sie mich allein lässt. Dass sie nicht mehr an meiner Seite ist zum Austausch, zum gemeinsamen Lachen, zum Zusammensein, zum sich gegenseitig unterstützen und guttun. Sie war nicht mehr da. Und ich hatte im ersten Moment meine Wut, um damit klar zu kommen. Später kam die Trauer. Da konnte ich dann ihren Verlust ausgiebig beweinen. Und noch viel später kam irgendwann die Dankbarkeit, dass ich sie gehabt habe. Und damit kam dann auch die Offenheit, mich wieder voll und ganz auf neue Freundschaften einzulassen.

Es war ein Prozess. Und jedes Gefühl in diesem Prozess hatte seine Berechtigung. Jedes Gefühl durfte durchlebt und irgendwann hinterfragt werden. Deswegen ist es auch im Coaching so wichtig, sich mit den eigenen Gefühlen zu beschäftigen und zu schauen, was da vielleicht eigentlich hinter steckt. Die Wut, die man in manchen Situationen spürt, woher kommt sie? Der Glaubenssatz „Ich kann das eh nicht!“… wer hat einem den mitgegeben? Hinschauen – zulassen – verarbeiten. Sich dieses bewusst zu machen, ist ganz wichtig. Sonst ist es wie mit einem Wasserball, den man versucht, permanent unter Wasser zu drücken. Die erste Zeit mag es gut gehen, dann wird es immer schwieriger. Die Arme schmerzen vom Runterdrücken und man wird immer gestresster… und irgendwann ploppt der Wasserball auf und schießt in die Höhe.

Bei uns Menschen ist es mit Stress und dem Unterdrücken von Gefühlen ähnlich. Irgendwann lassen sich die Gefühle und Bedürfnisse nicht mehr unterdrücken und sie ploppen wie der Wasserball auf! Dies kann sich in einem Burnout äußern, in einer Depression, in einer Belastungsstörung, in dem Gefühl „Ich kann nicht mehr – mir wird alles zuviel.“ Dann ist es wichtig hinzuschauen. Hinschauen – zulassen – verarbeiten.

Hinschauen – zulassen – verarbeiten! Was sich hier in drei Worten scheinbar so leicht zusammenfassen lässt, ist harte Arbeit. Ob Trennung, Trauer, unerfüllte Bedürfnisse, schmerzenden Glaubenssätze, Ängste… Man muss vertraute Wege und Strategien verlassen, man muss dort hinschauen, wo es weh tut. Man fühlt sich hilflos, steht beim Umdenken auf wackligen Beinen, fällt immer wieder hin. Das gehört alles zum Prozess des Verarbeitens. Wie bei einem Kleinkind, dass Laufen lernt. Ein erster Schritt, hinfallen, wieder aufstehen, noch einmal probieren, ein weiterer Schritt. Das Kind will es schaffen. Und wenn es dann erstmal laufen kann, dann liegt ein strahlendes Lächeln auf dem Gesicht jedes Kindes und es entdeckt die neue Vielfalt seiner Welt voller Neugierde.

Hinschauen – zulassen – verarbeiten! Und dann die Vielfalt der Möglichkeiten erleben!

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